Spanien: Die vergessene Insel
La Graciosa kann man sich nur in einem kleinen Ausflugsschiff nähern. Es legt mehrmals täglich im Norden der Nachbarinsel Lanzarote ab. Die Fahrt dauert keine halbe Stunde. Schon nach wenigen Minuten taucht die kleine, flache Insel am Horizont auf. Seit elf Millionen Jahren ruht sie im Südatlantik. Der ewige Wind hat sie stark erodiert. Nur 266 Meter misst die höchste Erhebung. Die graubraunen, kargen Hügel wirken wie schlafende Elefanten.
Dann wird der einzige ständig bewohnte Ort der Insel sichtbar: Caleta de Sebo. Er ist eine kleine, an der Küste lang gezogene Ansammlung von weißen, niedrigen Häusern. Zwischen den beiden Ortsenden liegen eineinhalb Kilometer, vom Hafen zur hintersten Häuserreihe sind es 300 Meter. Dahinter beginnt unberührtes, steiniges Gelände, bewachsen von graugrünen Sukkulenten und Dornenbüschen, durchkreuzt von ein paar Wegen und Pisten. Zu Fuß braucht man eine knappe Stunde, um an der gegenüberliegenden Küste anzukommen.
So übersichtlich La Graciosa ist, so chaotisch sind die Zustände dort. Denn als die Kanaren 1982 ihr erstes Autonomiestatut verfassten, haben sie die Insel vergessen. In dem Regelwerk ist nur die Rede von den sieben bewohnten Inseln, Teneriffa, Fuerteventura, Gran Canaria, Lanzarote, La Palma, La Gomera und El Hierro, sowie von diversen unbewohnten Inseln, zu denen stillschweigend La Graciosa gezählt wurde. Dabei leben dort Menschen, seit rund 140 Jahren. Es sind fast 700.