Serie „Reisepioniere“: Frau Lotter entdeckt Amerika
Eine Reise in die USA ist auch mal über ein verlängertes Wochenende möglich, sofern man sich keine Sorgen um den ökologischen Fußabdruck macht. Keine zehn Stunden dauert von Deutschland aus ein Direktflug an die Ostküste. Kreuzfahrtschiffe sind eine gute Woche unterwegs. Und für die klimaneutrale Variante mit dem Segelschiff brauchte die junge schwedische Aktivistin Greta Thunberg 14 Tage. Keine große Sache also, so eine Atlantiküberquerung.
Als sich Eberhardine Christiane Lotter vor gut 200 Jahren anschickt, den Ozean zu überqueren, sieht das anders aus. Die 39-Jährige aus der württembergischen Kleinstadt Herrenberg hat keine Ahnung, was sie im fernen Amerika erwartet, keine Informationen, wie lange die Reise dauern würde, keine Vorstellung, welche Gefahren drohen.
In loser Folge stellen wir Ihnen hier denkwürdige Weltenbummler vor.
Und trotzdem macht sie sich auf den Weg. Allein. Nur ihre Schwester ist eingeweiht.
Eine Frau, die Ende des 18. Jahrhunderts ohne Begleitung auf Reisen ging, ist so ungewöhnlich, dass die beiden Historiker Katharina Beiergrößlein und Jürgen Lotterer zunächst Zweifel an der Echtheit des detaillierten Berichts hatten, auf den sie im Stuttgarter Stadtarchiv stießen. „Beschreibung meiner Reise nach Charlestown“ ist er betitelt und könnte auch als Abenteuerroman durchgehen. Doch akribische Recherchen ergaben: Eberhardine Christiane Lotter hat diese Reise tatsächlich unternommen. Wie diese Frau aussah, ist nicht überliefert – dafür umso anschaulicher, wie sie sich fühlte, worauf sie hoffte und was sie fürchtete auf ihrer fast einjährigen Reise von Württemberg nach South Carolina und wieder zurück. Weil das so außergewöhnlich ist, hat das Stuttgarter Stadtarchiv „Die Reise der Frau Lotter aus Herrenberg nach America in den Jahren 1786 bis 1787“ nun mit ausführlichen Anmerkungen und Erläuterungen der beiden Historiker als Buch herausgegeben.